Octavia Butler, offenbar keine Anhängerin von Geniekult und göttlicher Inspiration gab jungen Autor*innen eine klare Richtung mit auf den Weg: „Schreib, jeden Tag, ob du es magst oder nicht. Scheiß auf Inspiration.“1 Sie ist gewiss nicht die einzige, die diesen Arbeitsethos anrät, aber ihre Formulierung knackt halt ganz ordentlich und wird also gerne zitiert.
Gewiss, ich habe streckenweise täglich Texte zu Papier gebracht. Das aber nur unter der ständigen Drohung von Deadlines. Das ist ein Druck, dem ich mich rückblickend betrachtet vielleicht nicht ganz zufällig ausgesetzt habe. Extrinsische Motivation. Die sanfte Peitsche der Schlussredaktion. Nicht nichts machen, stattfinden. So entstehen Gebrauchstexte, die selbstverständlich mehr Technik sind als Kunst. An wenigen guten Tagen Kunsthandwerk. Aber bis heute weiß ich nicht, wie das geht: jeden Tag schreiben. Wirklich schreiben.
Dabei wäre genau das doch nötig, um Möglichkeiten zu finden, nicht das immer Gleiche mit nur leicht variierenden Worten zu sagen. Wie so ein Journalismusbot. Nazis raus, Kapitalismus doof, Digitalisierung eine ausbeuterische Vollkatastrophe, KI für die Tonne. Da, 101 Anschläge, fertig.
In der Lesebühnenzeit, vor 20+ Jahren, da gab es so Momente. Auch nicht direkt jeden Tag, nein, aber immerhin manchmal. Und diese kurzen Blitze waren immer durch Kommunikation geprägt. Kurze Kommentare, Kritiken, überraschende Interpretationen anderer Autor*innen. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist ein anregender, wenn auch bisweilen nur heimlich ausgetragener Wettbewerb. Qualitativ nicht abgehängt werden zu wollen ist kein schlechter Antrieb.
Reibung erzeugt Funken. Mangelnder Austausch ist eines der größeren Probleme des solitären Arbeitens. Und solitär war das, bei allem Krawall, auch in der Redaktion. Da hat kaum jemand mal die Zeit, sich der Alltagshektik selbst für Augenblicke zu entziehen. Es wird im wesentlichen gedruckt, wie’s kommt. Da rede ich übrigens nur von den Gutwilligen. Am unverlangten Textgemetzel mit dem einige andere sich dann wiederum über die Arbeit ihrer Kolleg*innen erheben, übt man eventuell die Konfliktbefähigung, aber nicht grad das Schreiben.
Jetzt, im Hobbysegment angekommen, ist der frühere Druck raus. Neben ein bisschen Befriedigung der Eitelkeit sind da keine tieferen Zwänge, existenzieller Art zumal, dabei. Zurück zu denen will ich sowieso nicht. Aber wie dann weiter und warum? 101 Anschläge… puh.
Der andere dringende Hinweis, den Butler in dem viel zitierten Interview noch gab, war der, dass Schreiben vor allem Lesen heiße. Das stimmt unbedingt. Ich bemerke da einen sowohl langfristigen Effekt, als auch einen unmittelbaren Zusammenhang. Je genauer und bewusster ich lese, umso dialogischer und damit produktiver wird der Prozess.
Vielleicht ist genau das ja der Anfang: Jeden Tag lesen. Richtig lesen. Und das bekomme ich inzwischen sogar schon ganz gut hin, glaube ich. 🙂
im Bild oben: Welche Stadt?
1 – „…write, every day, whether you like it or not. Screw inspiration.“ Octavia Butler, Interview by Randall Kenan, Callaloo, 1991)