Arbeiten, sprechen, atmen

Beim Wühlen im Netz auf den Text gestoßen worden, mit dem Josefine Soppa in diesem Jahr den Wortmeldungen Literaturpreis für kritische Kurztexte gewonnen hat (nachzulesen auf der Webseite der Wortmeldungen oder in Buchform bestellbar bei der Buchhandlung des Vertrauens oder gleich beim Verbrecherverlag). „Klick Klack, der Bergfrau erwacht“ – der Titel allein ist ne Wucht und der einführend zitierte Wortwechsel von Weizenbaums Chatbot Eliza gibt die Richtung vor. Eingabe: „Krieg ist der Vater aller Dinge.“, Ausgabe: „Erzählen sie mir mehr über ihre Familie!“ Und das tut sie dann auch.

Die verwendeten Bilder und Assoziationen sind unglaublich stark. Die Idee, den sukzessiven Verlust der Sprechbefähigung beim an Parkinson erkrankten Vater und sein Kämpfen um sinnvollen Ausdruck analog zur Präsentation sogenannter künstlicher Intelligenz zu setzen, ist sehr spannend ausgebaut. Mich nimmt überhaupt das Spiel von sehr körperlicher Beschreibung hin zu abstrakten Konzepten der Sinnbildung sehr gut mit.

Am meisten beschäftigt mich an „Klick klack“ der Abschnitt, der da beginnt mit einem Bezug auf Frédéric Valins Kritik an einer bestimmten Literatur der Arbeiter*innenkinder. Während der aber durchaus parteiisch und ziemlich gnadenlos auf den darin enthaltenen Verrat der Kinder an ihren Eltern und deren Klasse hin zuspitzt, entscheidet sich Soppa zumindest im vorliegenden Text für eine andere Option. Zunächst einmal nicht einfach gehen (wie zB. der von V. kritisierte Eribon). Die ganze Widersprüchlichkeit bleibt mit ihr, dem kleinen Baby und dem verschwindenden Vater in einem Raum. Quasi eingesperrt. Es wird eine intergenerationelle Kontinuität entworfen. Im sinnlosen Arbeiten, im Nicht-richtig-sprechen-können und zu guter Letzt im Atmen. Wieder zurück vom Abstrakten hin zum Konkreten, zum Körperlichen. Das strahlt tiefe menschliche Wärme aus.

Das Gefühl der Unterlegenheit, das Imposter-Syndrom der Aufsteiger*innen, die im Versuch, ihrer Herkunft zu entkommen schier zerbrechen, illustriert Soppa wiederum mit der Maschine. Auch wenn mir die Symbolik, die sie der KI, „dem größten aller Arbeiter*innenkinder“ überhilft, ein bisschen zu romantisierend daherkommt, funktioniert sie zweifellos als Spiegelung unseres Daseins.

Und dann kommt ein ganz faszinierender Satz: „Das Paradigma, KI nicht* zu vermenschlichen, dient auch dazu, eine „Aura der Immaterialität“ aufrechtzuerhalten und die menschliche Arbeit und Ausbeutung, die unzähligen prekären Biographien, die wörtlich in ihrer Schrift sind, zu verbergen.“ Faszinierend deshalb, weil der für mich mit genau der gegenteiligen Aussage richtig wäre, also: „Das Paradigma, KI zu vermenschlichen, dient auch dazu, die menschliche Arbeit und Ausbeutung, die unzähligen prekären Biographien zu verbergen.“

Tatsächlich würde ich behaupten, dass die large language models, die wir als KI bezeichnen, von den Nutzer*innen als selbständige Entitäten ohne Herkunftsgeschichte wahrgenommen werden. Gerade in der Anthropomorphisierung existieren sie losgelöst von der ganzen menschlichen Arbeit, die da hineingeflossen ist. Insofern ist die KI dann aber vielleicht doch eine geeignete Repräsentanz der Arbeiter*innenkinder. Nur eben mehr noch auf der von Valin beschriebenen Flugbahn: als eiskalte Verräterin ihrer Klasse im Dienste der herrschenden Verhältnisse und ihrer Statthalter*innen.

*meine Hervorhebung

oben im Bild: Sky’s the limit.

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