Kunstmarkt, Eigenverantwortung und das Ende des Schiffbaus

Drei Texte, gelesen in den letzten Tagen, einmal Erläuterungen zum sich wandelnden Kunsthandel, ein schöner Rant über die Individualisierung der Pandemiehölle und ein guter Überblick zur Deindustrialisierung in den osteuropäischen Transformationsgesellschaften.

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Ingo Arend in der Süddeutschen Zeitung mit einem instruktiven Überblick über den Kunstmarkt (nicht im übertragenen, sondern genau im ökonomischen Sinne) und dessen pandemiebedingt beschleunigten Wandel hin zu einer digitalen, plattformbasierten, reichlich intransparenten Angelegenheit. Bei der setzen sich wenige big players gegen die kleinen Galerien, aber auch gegen traditionsreiche, aber unbeweglichere und letztlich auch kapitalschwächere Messen durch. Klingt irgendwie bekannt, oder? Eine vergleichende Untersuchung zu den Transformationsprozessen anderer Branchen mit denen „in der elegantesten Spielhölle des Kapitalismus“ würde ich, zB von Arend, auch als Buch lesen.

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Apropos Buch, „Die schlechteste Hausfrau der Welt“ habe ich immer noch nicht gelesen, was unter anderem daran liegt, dass ich das Werk noch nicht mal gekauft hab. Das wird aber noch, versprochen. Jedenfalls hat Jacinta Nandi in der ak den Blick auf Versagen und Vorwurf als mögliche Ausdrucksformen des deutschen Nationalcharakters geworfen, in der Pandemie zumal. Ich fühle mich abgeholt von dem Text, vielleicht auch ein bisschen erwischt, auf jeden Fall aber gut unterhalten. Und das ist mir wichtig, auch in den Flugschriften des Klassenkampfes. Denn wenn ich nicht lachen kann, ist es nicht meine Revolution. Basta.

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„Von Anerkennung und Respekt kann man bekanntlich keinen Lebensunterhalt bestreiten.“ – Schön gesagt, und zwar in einem Stück zum Ende der Werften in Mecklenburg-Vorpommern von Philipp Ther bei Zeit Online. Der Historiker schlägt einen weiten Bogen, der die kulturelle, wirtschaftliche und politische Bedeutung des Schiffbaus im Ostblock ganz interessant zusammenfasst. Auf so engem Raum einen solchen Überblick anzubieten, das muss man erstmal hinbekommen.

Für mich waren die entsprechenden aktuellen Nachrichten ein wenig déjà-vu. Anfang der Neunziger war die Deindustrialisierung des Ostens schließlich das lebensbestimmende Thema, wenn man da aufwuchs, nicht wahr. Die Symbolkraft der Werften (und des industriell betriebenen Fischfangs) lässt sich gar nicht überschätzen für den Nordosten. Gingen mit der wirtschaftlichen Einebnung der Kerne, ihrer Zulieferer und Weiterverarbeiter ja nicht nur ganz materiell Arbeitsplätze, also Einkommensoptionen für unglaublich viele Menschen verloren, sondern auch deren Lebensperspektive neben der Maloche. Auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, macht eben ganz schnell nicht nur ökonomisch arm.

Es ist drei Jahrzehnte später vielleicht schwer vorstellbar, wie unfassbar trostlos das alles war damals. Selbst der Protest von Belegschaften, mit ihren Betriebsbesetzungen und allem, war am Ende dann doch immer nur vorhersehbar aussichtslose Folklore. Das kommt in so nem Text wie dem von Ther ein bisschen knapp und unterkühlt rüber (was ich jetzt überhaupt nicht als Vorwurf meine, nebenbei).

FF 100

„Der Wahrheit nachsinnen, viel Schmerz“ – der Trakl-Bezug war am Ende Lebensmotto von Franz Fühmann, dessen 100. am 15. Januar hie und da Anlass für biografische Erinnerungen und Betrachtungen ist. Sehr dicht und informiert und informierend: Lukas Betzler bei 54books.de.

Zwei Bücher von Franz Fühmann. "22 Tage oder Die Hälfte des Lebens" und "Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel"
Etwas zerlesen über die Jahre

Wenn ich einen mich durchs Leben begleitenden Namen aus dem Bücherschrank ziehen müsste, Fühmann wär‘s. Begonnen hat es mit dem Zufall, dass die Frau im Kiosk, über dem wir damals in Rostock wohnten, meiner Mutter „Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel“ beiseite legte. Bückware Anfang der Achtziger, wie alles von Fühmann, der durch seine Nachdichtungen klassischer Mythen zwar allgegenwärtig und doch an den Rand gedrängt war.

Gänzlich unversöhnlich mit sich selbst, blieb der Konflikt mit den vermaledeiten Verhältnissen und ihren jämmerlichen Apologeten in der DDR nicht aus. Die Zersetzung durch die Stasi erreichte Fühmann überall. Selbst Lesungen der „Dampfenden Hälse“, eines Kinderbuches also, wurden gestört oder verhindert. Dieses Land, dessen Kulturbürokratie so geistesklein war, dass sie sich zwar gerne im „kulturellen Erbe“ aus Jahrhunderten rückwärts sonnen wollte, dessen Bedeutung für das Heute aber nicht so gern diskutieren mochte, konnte jemand so umfassend interessiertes, kluges, sendungsbewusstes nur unverständig abstoßen. Ein paar Jahre zu früh gestorben, elendig am Krebs verreckt, blieb F. die mögliche Renaissance des eignen Werkes verwehrt, das einigen (auch weniger fähigen) nach der Wende noch einmal ganz ordentlich Auftrieb gab.

Auch Betzler wundert sich ein wenig, warum Fühmann trotz diverser prominenter Fürsprache in den vergangenen Jahren weiterhin so tief unter dem Radar läuft. Nunja, die Welt hat sich eben weitergedreht und die Schonungslosigkeit und gelegentlich recht deutlich hervortretende Sperrigkeit (mal ehrlich: Trakl! Vom „Bergwerks“-Fragment ganz zu schweigen) Fühmanns überfordert umso mehr, je länger er tot ist. Da greifen die Segnungen des Kapitalismus: Das Gute und Gefährliche muss ja gar nicht verboten werden, das regelt alles der Markt in die zugehörigen Nischen weg.

Außerdem ist jemand, der so dringend an die Wandlungsfähigkeit, die Veränderbarkeit des Menschen glaubt, als umerzogener Nationalsozialist und umgelernter Stalinist glauben muss, mit seinem finsteren Optimismus so dramatisch aus jeder Zeit gefallen, dass er zwar immer ein Publikum finden wird, das aber eher nicht so zahlreich. Das Fühmann-Faible wird zuverlässig ein Orchideenfach bleiben, denk ich mal.

Meine zweite Zufallsbegegnung mit ihm passierte gut 20 Jahre später in einem Antiquariat in Berlin. Beim Stöbern „22 Tage oder Die Hälfte des Lebens“ in die Hände bekommen. Pfennigware Anfang der Zweitausender, die ich in liebevoller Erinnerung an die „Dampfenden Hälse“ mit einpackte und später ohne große Erwartungen aufblätterte – und seitdem nicht mehr zugeklappt hab. Dieses kleine Bändchen, dieses Wahnsinnsbuch ist das für mich vielleicht wichtigste, das ich je gelesen hab.

Erklären die „Dampfenden Hälse“ kindgerecht, welche Universen Sprache zu öffnen vermag, ist „22 Tage“ eine praktische Umsetzung der Theorie. Dass Fühmann das mit um die 50 geschriebene Buch als seinen Eintritt in die Literatur bezeichnete, ist ganz und gar nicht kokett. Der herausragende Kritiker in ihm machte eben auch und gerade vorm eigenen Werk nicht halt. Und das wiederzuentdecken lohnt sich selbstverständlich.

Einiges von Fühmann ist weiterhin lieferbar, die „Dampfenden Hälse“ und „22 Tage“ auch noch in neueren Einzelausgaben, die genauso wie die Werksausgabe bei Hinstorff erschienen sind, einem Verlag der sonst eher auf Maritimes und Rostock spezialisiert ist und bei dem Fühmann eher zufällig gelandet war, was aber auch schon wieder ein ganz andere Geschichte aus einem längst untergegangenen Land ist.

Aus gegebenem Anlass

Hören Sie, H., wenn diese Regierung Ihnen Geld geben will, dann hat sie’s auch, und dann nehmen Sie’s. Und noch einen Rat: ein Schriftsteller kann gar nicht genug Geld haben.

Laut Stefan Heym, war das Brechts Rat an ihn, als er während der Verleihung des mit 10.000 Mark dotierten Heinrich-Mann-Preises 1953 Skrupel äußerte

Mittelschicht und Meckerei ohne Links

Zwei Texte, gelesen in den letzten Tagen. Einer über die geile, actionreiche Debatte um die Mittelschicht als etwas verschwommen definiertes Ideal. Und einer über die ach so böse, böse Technik, die uns alle zu Zombies macht.

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Nils C. Kumkar und Uwe Schimank reflektieren beim Merkur den großen Erfolg der Gesellschaftsanalyse von Andreas Reckwitz in „Das Ende der Illusionen“ und lassen es gleich am Anfang ordentlich knallen: „Reckwitz prägt also nicht deshalb die Debatte, weil seine Diagnose »stimmt«, sondern weil sie »passt«.“ Es wird von den beiden statt dessen nämlich eine erhebliche Differenz zwischen gesellschaftlicher Wirklichkeit und gesellschaftlicher Selbstbeobachtung angenommen.

Kumkar und Schimank kritisieren die Beschreibung der Mittelstandsgesellschaft als dominantes nicht nur von Reckwitz idealisiertes Selbstbild, weil sie empirisch so gar nicht (mehr) existiere. Die beschriebenen gesellschaftlichen Bruchlinien gäbe es nicht, weil die von Reckwitz vorausgesetzte Sortierung in „alte“ und „neue“ Mittelklasse allein schon die Differenzen innerhalb der als weitestgehend homogen angenommenen Blöcke völlig außer acht lasse. Die durch so viele politische Lager rezipierte Analyse könne demnach überhaupt nicht zur soziologischen Durchdringung möglicher gesellschaftlicher Spaltung herangezogen werden. Jedenfalls nicht, wenn man an faktischer Realität bleiben wolle.

Nun hab ich den Reckwitz gar nicht gelesen (er liegt hier irgendwo rum, auf einem virtuellem Turm des vernachlässigten Wissens), die Kritik ist mir aber lustigerweise sofort plausibel, zugegebenermaßen sicher auch deshalb, weil sie im wesentlichen dem Hassblock gegen die vermeintliche Identitätspolitik das eine oder andere Argument zu entziehen scheint. Ob sie nun aber mehr auf die Gläubigen als den Propheten zielt, oder gar beide gleichermaßen trifft, überlasse ich zunächst den Beleseneren.

Erinnert hat mich das ganze jedenfalls an die einzige Veranstaltung, der ich in meiner Freizeit, wenn die Erinnerung mir keinen Streich spielt, in den letzten 12 Monaten live in einem geschlossenen Raum beiwohnte. „Mythos Mittelschicht“. hieß die (die Aufzeichnung hat leider in der ersten Stunde einen ganz beschissenen Ton). Dort versuchten die Gäste Volkan Ağar, Julia Friedrichs und Mareice Kaiser das Problem mit dem Selbst- und Idealbild der gesellschaftlichen Mitte einzukreisen.

Die Kombination aus den dreien war an sich ganz konstruktiv, wenn auch durch schwache Moderation nicht so richtig zusammengeführt. Friedrichs zB mit dem sehr nützlichen Beharren auf einer sauberen Empirie, besonders hilfreich dabei der Hinweis darauf, dass die Einkommensmittelschicht messbar an Bedeutung verliere und vererbbares Vermögen immer entscheidender für nachhaltige Mittelklassenzugehörigkeit werde. Kaiser und Ağar dagegen mit dem auch in vielen ihrer Texte herausklingenden Balanceakt, die eigene Ausgeschlossenheitserfahrung nicht einfach nur als erbauliche Geschichte individueller Auseinandersetzungen und Aufstiege, sondern im größeren Zusammenhang der allgegenwärtigen ökonomischen Unterdrückung zu erzählen.

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Eine Sache die mich ein wenig genervt hat während und dann auch noch nach dem Lesen war ein Vorabauszug aus einem Buch beim Guardian. Um gestohlene Aufmerksamkeit geht es da, wie die Internetkonzerne unseren Fokus zerstören und welche schlimmen neurologischen und kognitiven Folgen das hat. So weit so schnarch. Normalerweise lese ich derartiges gar nicht erst vertieft, weil solche Aufsätze einfach zu oft von Unkenntnis und Ressentiments und einem furchtbar langweiligen Kulturkonservatismus geprägt sind. Jedoch war der Icherzähler schon beim Einstieg ein so unterträgliches Arschloch, das zB den Versuch beschreibt, seinem unaufmerksamen Neffen das Telefon aus der Hand zu schlagen und zwar einsieht, dass das Kind keine Schuld trage, aber der Autor sich überhaupt nicht für den eigenen autoritären Impuls zu schämen scheint, also so ein unglaubliches Arschloch, dass ich nicht so recht aufhören konnte, weil ich einfach wissen musste, was der noch für einen Mist fabriziert.

Dann wird das ganze aber sogar ganz interessant, mit Bezügen zu wissenschaftlichen Studien und insgesamt nicht unklugen Beobachtungen, allerdings, und sowas ärgert mich wirklich, ohne Links im Text zu irgendwelchen Quellen. Dafür lauter Angebereien, wohin der Autor nicht alles geflogen war, um mit irgendwelchen Koryphäen zum Thema zu plaudern. Ich mein, auch wenn es ein Buchauszug ist: Es ist 2022, und es steht auf einer Webseite. Wo ist das Problem, verdammtnochmal Links zu setzen? Oder stört das den Fokus auf den Text?

Egal, denn als ich dann mehr über den Autor erfahren wollte, musste ich lernen, dass der, Johann Hari, schon mehrfach wegen schwerer Verfehlungen gegen journalistische Berufsethik auffällig geworden ist. (Plagiate, noch mehr Plagiate, hinterhältige Kampagnen) So jemand hätte die Links zu seinen Quellen mit dem Text bei mir in der Redaktion gleich mitliefern müssen, wenn ich schon die etwas seltsame Entscheidung treffe, Werbung für ihn zu machen.

Aber was soll‘s, so wird der Turm noch zu lesender Bücher mit diesem nicht höher gemacht, bleibt mehr Zeit für Andreas Reckwitz, nicht wahr.

Drei #rc3-Talks, die ich besonders informativ fand (und die mich fachlich nicht total überfordert haben)

Ein paar Sachen stehen noch auf meiner Liste. Bei denen die ich bisher sah, hab ich zu den folgenden tatsächlich Notizen gemacht, weil ichs so spannend fand. Einmal Pandemie-Management, einmal bissel Cyborg-Grusel und einmal digitale Souveränität (nicht das mit dem Nationalstaat, sondern das mit dem Individuum :).

Diagramm einer Versuchsanordnung mit verschiedenen Digitalen Stationen, in deren mitte ein stilisierter Hacker
Liebe diese Darstellung eines Hackers in den slides von „Listen to your heart“

Bianca Kastls Vortrag „Digitalisierung. In einer Pandemie. Im Gesundheitsamt!“ ist allerorten zitiert, der am häufigsten gestreamte Beitrag und mir auch zigmal auf Twitter in die Timeline gespült worden. Die Vortragende kam in der Diskussion um die Luca-App schon im Laufe des vergangenen Jahres zu einiger Prominenz über die Techbubble hinaus. Das Thema brennt einfach.

Neben auch für interessierte Laien verdaulichen konkreten technischen Erläuterungen, inklusive einiger vernichtender Anmerkungen zur Luca-App, finde ich vor allem den abstrakten Rahmen des Talks sehr instruktiv. Kastl steigt nicht zufällig mit dem Hinweis ein, dass es sich um einen „Meta-Talk“ handele. Denn tatsächlich lassen sich aus den Erfahrungen der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und digitalen Expert*innen, wie sie hier geschildert werden, eine Menge wichtiger Lehren ziehen.

Allein die rhetorisch gestellte Frage, ob es im Prozess der Digitalisierung der Datenerfassung von Gesundheitsämtern bis RKI nun darum gehe, einen möglichst schnellen aktuellen Überblick zu bekommen oder die bestehende Verwaltungsstruktur digital nachzubauen, verweist überdeutlich auf eines der grundsätzlichsten Verständigungsprobleme zwischen analoger und digitaler Welt. Ein befreundeter Journalist nannte diesen Effekt der „Elektrifizierung des Bestehenden“ für seinen Bereich gelegentlich „Printernet“.

Dabei ist diese Unbeweglichkeit gegenüber dem Rationalisierungspotential der Digitalisierung üblicherweise nicht einmal böswilliger Natur, sondern einfach nur Ausdruck von Unkenntnis und einer gewissen Lernträgheit, die anscheinend wenigstens teilweise überwunden werden konnte angesichts der besonderen Herausforderungen der letzten zwei Jahre. Letztlich nicht einmal so lange, diese Zeit. Die geschilderten Erfahrungen sind zum größten Teil nicht einmal 12 Monate alt und doch klingt es völlig angemessen, wenn Kastl den März 2021 „damals“ nennt.

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Sehr viel technischer, zumindest im ersten Teil, ist der Vortrag „Listen to Your Heart“ über die Sicherheit moderner Herzschrittmacher und anderer per Funk gesteuerter und ausgelesener Implantate von Endres Puschner und Christoph Saatjohann. Knapp gesagt gibt/gab es hackbare Lücken an den Geräten und Kommunikationswegen. Inwieweit realistischerweise hier Manipulationen stattfinden werden, bleibt unserer Phantasie überlassen. So halb beruhigend stellt Puschner fest, dass veränderte Daten im Zweifelsfall einer zwischengeschalteten medizinischen Fachkraft auffallen müssten. Na, bon chance. Im zweiten Teil des Talks berichtet Saatjohann von testweisen DSGVO-Abfragen für Daten, die in rauen Mengen bei diesen Geräten anfallen, und es ist, kurzgesagt, ein Trauerspiel. Ganz offensichtlich ist der Aufholbedarf bei den Patient*innenrechten gewaltig.

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Nicht uninteressant auch das Podium „System Change mit Instagram?? Social Media und die Zivilgesellschaft“ wo Vertreter*innen der üblichen Verdächtigen aus der Klimabewegung mit Netzaktiven in einer Art konstruktiver Ratlosigkeit über das Dilemma der großen Reichweiten auf Scheißplattformen reden. Schön fand ich padeluuns (Digitalcourage) gewissermaßen selbstkritischen Verweis auf jahrzehntelanges „Nerdversagen“, die Unfähigkeit also, alternative, hinreichend attraktive Plattformen zur Kommunikation im Netz zu etablieren. Obwohl man da wahrscheinlich nicht den gewaltigen Sog außer Acht lassen darf, den Venture Kapital auf das quafilizierte Personal nunmal hat. Wer eine Idee hat die funktioniert, kann die halt auch teuer verkaufen. And why wouldn‘t you, dachten sicher viele unterwegs.

Die Verantwortung der reichweitenstarken Klimaorganisationen für einen system change auch in der digitalen Welt wurde betont, also Leute gezielt zu den Alternativen ziehen. Mir erschien der vorsichtige Einwand von Pauline Brünger (FFF) ganz bedenkenswert, dass es da vielleicht eine Analogie zwischen der (in die Irre führenden) Individualisierung der Verantwortung für die Klimakrise (iss vegan, flieg nicht usw) und der für eine Bewältigung des Problems mit den Großkonzernen im Netz (mach Facebook aus und Google auch usw.) gibt.

Mir war das zu kurz, aber zum Glück kümmert sich Bits und Bäume ja weiter um das Thema. Der eigenverantwortlichen Vertiefung steht also nichts im Wege. Wenn ich mich jetzt nur an mein Mastodon-Login erinnern könnte. Bin mir ziemlich sicher, mal eins gehabt zu haben… Naja.

Update: Mastodon-Login gefunden! https://mastodon.social/@abgelegt

Kunst, Kabale, Katholizismus

Georg Seeßlen bei Zeit Online mit einem sehr erbaulichen (und sehr ausführlichen) Text zur Wirklichkeitsproduktion im Film unter besonderer Beachtung der technischen Entwicklung und Digitalisierung und die bislang gerade der perfekten CGI gesetzten Grenzen. Veränderte Sehgewohnheiten, die technologische Dehn- und Beugbarkeit von Raum und Zeit nimmt S. zum Ausgangspunkt, um über die mögliche Zukunft des Mediums zu spekulieren. Den ökonomischen Rahmen im Bewusstsein ist dieser prophetische Blick recht pessimistisch geraten.

Besonders faszinierend für mich (cineastisch ziemlich ungebildet) war beim Lesen übrigens ein Nebenaspekt relativ am Anfang, die Erläuterung eines Unterschieds zwischen dem „ich sehe“ und „wir sehen“ nämlich, eines Glaubensgefälles das entsteht zwischen Filmkonsum allein daheim und dem im Kino. Frage mich nun, ob in der unbewussten Wahrnehmung dieses Unterschieds einer der Gründe liegt, dass ich, obwohl gerne und oft Filme schauend, nie ein sonderlich enthusiastischer Kinogänger war.

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Auch sehr lesenswert ein langes Stück von Dirk Ludigs bei queer.de, zum Scheitern eines queeren Kulturhauses in Berlin. Selbst ohne persönliche Bekanntschaft mit Beteiligten an diesem Desaster ist das ganz interessanter Stoff über transfeindliche Kabale, hartleibige Arroganz, Spekulation auf Fördergelder und überhaupt die berühmte Berliner Mischung aus Planlosigkeit, Unfähigkeit und Selbstzufriedenheit.

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Ganz toll Stefan Hunglinger in der taz mit einer Reportage über das erzreaktionäre, rechtskatholische Milieu in Berlin, „fernab von chaotisch-bunten Familiengottesdiensten, von zeitgenössischer Theologie und der allgegenwärtigen Naturwissenschaft“. Die gute alte Zeit, die jene sich zurückwünschen ist schon etwas länger her und es gruselt einen nur daran zu denken, dass es nicht nur gänzlich abseitige und einflusslose Spinner sind, die sich da Oblaten auf die Zunge legen lassen.